Zehenamputation durch fehlenden Arbeitsschutz bei Diabetes mellitus


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Ein 63-jähriger Schrotthändler mit Diabetes mellitus und Polyneuropathie durchtrennte beim autogenen Schweißen ein dickes Blech. Dabei verzichtete der Betroffene auf eine notwendige Schutzausrüstung, vor allem auf Sicherheitsschuhe. In Sandalen ohne Strümpfe spritzten beim Schweißen plötzlich glühende Stahltropfen auf den linken II. Zeh, die er in Anbetracht der Nervenschädigung nicht bemerkte, da keine Schmerzen bestanden. Die Folge war eine starke Verbrennung mit ausgeprägter Wundheilungsstörung. Trotz Desinfektion und lokaler antibiotischer Salbe entwickelte sich ein tiefes Ulkus am II. Zeh (Abb. 1).

Im weiteren Verlauf kam es zur Gangrän mit Knochenbeteiligung, so dass eine Amputation des linken II. Zehs unumgänglich war (Abb. 2). Präoperativ erfolgte eine systemische antibiotische Behandlung, nach Erreger und Resistenzbestimmung (Antibiogramm). Postoperativ erhielt der Betroffene, nach einer dynamischen Pedografie zur Ermittlung der Druckspitzen an der Fußsohle, neue diabetesadaptierte Fußbettungen für Konfektionsschuhe. Die anschließende nochmalige dynamische Pedografie ergab eine exakte Druckumverteilung an der Fußsohle. Nach intensiver ärztlicher Aufklärung, ebenso durch orthopädieschuhtechnisches und podologisches Fachpersonal verwendet der Betroffene regelmäßig Arbeitsschutzschuhe beim Schweißen (Abb. 3). Die Compliance konnte deutlich verbessert werden.

 

Ursachen von Wundheilungsstörungen

Unterschieden werden lokale von einer Vielzahl systemisch auslösender Faktoren.

Lokale Störungen gehen direkt von der Wunde aus - infolge pathologischer Wundverhältnisse. Oberflächliche glatte Wunden heilen schneller und besser als tiefer gelegene. Zu feste oder zu straffe Nähte, nach chirurgischer Intervention, behindern eine notwendige Sauerstoffzufuhr und führen nicht selten zur Austrocknung oder sogar zur Verklebung der Wunde. Mit zunehmendem Alter und häufig weiteren vorliegenden Begleiterkrankungen kann die Wundheilung langsamer erfolgen.

Zu systemischen Auslösern von Wundheilungsstörungen gehören Diabetes mellitus (siehe Fallbeispiel), pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) und chronische venöse Insuffizienz (CVI, chronische Venenschwäche). Weiterhin kommen Störungen des Immunsystems, Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Aids (HIV), TBC (Tuberkulose), Lues (Syphilis, Geschlechtskrankheit) oder Osteomyelitis, d.h. einer Knochenmarkentzündung - meistens mit Knochenentzündung (Ostitis) und Knochenhautentzündung (Periostitis) infolge einer Streuung von Bakterien - infrage. Ferner sind nach Chemotherapie und/oder Bestrahlung maligner Tumore (bösartige Geschwülste) Wundheilungsstörungen möglich. Zu beachten ist, dass einige Medikamente wie zum Beispiel Kortison über einen längeren Zeitraum, Antikoagulantien (Mittel zur Hemmung der Blutgerinnung) oder Immunsuppressiva (Mittel zur Unterdrückung oder Abschwächung des Immunsystems) den Heilungsprozess einer Wunde verzögern können.

 

Grundlagen zu Läsionen beim diabetischen Fußsyndrom (DSF)

Bei Wundheilungsstörungen handelt es sich um eine nicht oder schlecht heilende Wunde. Ursächlich kommen Dehiszenz (Klaffen) der Wundränder, Wundrisse, Wundsekret, Wundrandnekrosen (lokaler Gewebstod), Hämatome und vor allem eine Infektion infrage.

In 80 bis 90 Prozent der Wundheilungsstörungen geht bei Betroffenen mit Diabetes mellitus und Polyneuropathie (Erkrankung der peripheren Nerven) häufig ein Trauma (Verletzung) voraus. Da bekannterweise beim DFS mit Polyneuropathie das Schmerz-, Temperatur-, Druck- und Vibrationsempfinden reduziert oder aufgehoben sind, bemerken die oder der Betroffene schädigende Einflüsse am Fuß nicht oder nach Inspektion zu spät. Oftmals werden auch Verletzungen am Fuß bagatellisiert. Des Weiteren tragen fehlende Schonung oder fehlende notwendige Entlastung nicht zur Abheilung der Wunden bei. Hinzu kommen bei Diabetikern häufig Durchblutungsstörungen oder Entzündungen, die zusätzlich die Wundheilung einschränken. Eine wichtige Rolle spielt bei der Wundheilung die Compliance des Patienten wie zum Beispiel das Beachten ärztlich angeordneter Maßnahmen, die Umsetzung wichtiger Tipps vom Fußspezialisten und die Einhaltung vorgegebener Konsultationstermine beim Arzt, Orthopädieschuhmacher und Podologen.

 

Tipps zum Arbeitsschutz beim diabetischen Fußsyndrom (DFS) beim Schweißen

Beim Schweißen sollten nicht brennbare Ledergamaschen getragen werden. Sie bieten eine Isolierung und Schutz vor Verbrennungen durch sprühenden Funkenflug, verflüssigte Metallspritzer oder strahlender Hitze an Füßen oder Unterschenkeln, die schwere Wundheilungsstörungen auslösen können. Ferner gehören zur Schutzausrüstung bei Metallverarbeitung widerstandsfähige Schweißerstiefel, die den hohen Temperaturen beim Schweißen Stand halten. Sie enthalten eine Zehenschutzkappe aus Stahl oder Kunststoff, eine Stahlzwischensohle, geschlossene Fersenkappe, Quick-Steckverschluss mit Klettverschluss (zur schnellen Lösung im Notfall), Nähte aus hitzebeständigem Material, schnell trocknendes Textilinnenfutter, antibakteriell herausnehmbare Einlage sowie rutschhemmende, hitzebeständige (kurzzeitig bis 300° Celsius), grobstollige Gummiformsohle. Die Fertigung einer Kälte- und Wärmeisolierung ist zusätzlich möglich. Zur Ausdünstung sollten diabetesadaptierte Fußbettungen abends herausgenommen werden.

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Prophylaxe von Wundheilungsstörungen beim DFS

Ziel ist es, bei drohendem oder vorliegendem DFS, sowohl größere als auch kleinere Bagatellverletzungen zu verhindern. Diese können zu schweren Wundheilungsstörungen führen. Der Fußspezialist spielt bei der Vorbeugung im interdisziplinären Behandlungsteam eine maßgebende Rolle. Oberste Priorität haben regelmäßige podologische Behandlungen, Umsetzung von Tipps zur Prophylaxe sorgfältiger häuslicher Fußpflege, zum notwendigen Schuhwerk, kontinuierliches Tragen von diabetesadaptierten Fußbettungen und orthopädischen Schuhzurichtungen und gegebenenfalls orthopädischen Maßschuhen, letztere vor allem beim diabetischen Charcotfuß. Für das tägliche Eincremen der Füße bei Diabetes empfiehlt sich vor allem GEHWOL med Lipidro Creme. Die Creme u.a. mit 10 % Harnstoff (Urea) sorgt nicht nur für eine ausgeglichene Hydrolipid-Balance und schützt vor Hyperkeratose. Wie eine Studie zeigt, verbessert die Creme auch die Mikrozirkulation der Haut. Vor allem die bei Diabetes typische Durchblutungsschwäche ist mitverantwortlich für viele Fußproblematiken wie Trockenheit, Rissigkeit und Hyperkeratose.

Zur Prävention gehört weiterhin eine ausführliche Aufklärung zur Verwendung von Sicherheitsschuhen bei Metall verarbeitenden Tätigkeiten. Bei vorliegender Fußläsion ist eine unverzügliche Konsultation beim Arzt, um weitere Folgen abzuwenden, zwingend notwendig.

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Abb. 1
Ulkus an der linken II. Zehe nach Verbrennung bei einem 63-jährigen Diabetiker Typ II mit Polyneuropathie aufgrund glühender Stahltropfen beim Schweißen ohne Sicherheitsschuhe. Der Betroffene trug Sandalen ohne Strümpfe.

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Abb. 2 a und b
Zustand nach Amputation der linken II. Zehe infolge einer sich im weiteren Verlauf entwickelten Gangrän (Brand).

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Abb. 3
Sicherheitsschuh (Arbeitsschutzstiefel, Bild: OSM Andreas Koch, Bad Kissingen).

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Abb. 4
Optimale Basispflege für Diabetiker- mehr Hautfeuchtigkeit, Barrierestabilität und Schutz vor übermäßiger Hornhaut auch dank einer verbesserten Hautdurchblutung.

Unsere Autorin

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Dr. med. Renate Wolansky
Fachärztin für Orthopädie, Sportmedizin, Naumburg