Pyoderma gangraenosum


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Bei Pyoderma gangraenosum (PG), auch Dermatitis ulcerosa, handelt es sich um eine seltene entzündliche chronische Erkrankung der Haut mit schmerzhaften Ulzera und fortschreitendem (progredient) Verlauf, besonders an den unteren Extremitäten. Allerdings können auch andere Körperregionen beim Menschen wie zum Beispiel Körperstamm, Nacken, Kopf oder Mundschleimhaut betroffen sein.

 

Ursachen der Pyoderma gangraenosum

Eindeutige Ursachen sind bislang nicht geklärt. Betroffene geben in der Anamnese häufig Bagatellverletzungen mit kleinen Hautläsionen (Hautverletzungen), Insektenstiche oder postoperatives Auftreten der Ulzera (Geschwüre) an.

Nach Literaturangaben sollen Betroffene häufig eine systemische Grunderkrankung aufweisen. Dabei stehen besonders chronisch entzündliche Darmkrankheiten im Vordergrund. Ebenso kann ein Zusammenhang mit metabolischen Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus (Abb. 1a und 1b) oder Lipidstoffwechselstörung (Fettstoffwechselstörung) vorliegen. Seltener besteht eine Verbindung bei HIV (Aids), chronischer Hepatitis oder rheumatoider Arthritis. Ferner sind als Auslöser postoperative Wundheilungsstörungen möglich.

Die Einteilung der PG erfolgt nach Powell 1996 in verschiedene Formen aufgrund klinischer Symptome und des histologischen Befunds.

  1. Ulzeröse Form (häufigster Typ (Abb. 1a und 1b) weist mehrere Ulzera mit lividen (bläulichen)-roten Wundrändern auf, wobei häufig eine Assoziation (Verbindung) zu entzündlichen Darmerkrankungen, rheumatoider Arthritis und Diabetes mellitus vorliegt.
  2. Pustulöse Form bei der entzündete oder eitrige Hautbläschen (Pusteln) vorliegen.
  3. Bullöse Form mit ausgeprägten Bullae (Blasen), die ulzerieren und einen typischen entzündlichen Rand aufweisen.
  4. Peristomale Form mit schmerzhaften ulzerierenden Papeln (kleine flache Hautknötchen), die sich in der Region um ein vorliegendes Stoma (künstlicher Darm- oder Harnausgang) befinden.
  5. Seltenere Schleimhautform mit sehr schmerzhaften Ulzera in der Mundschleimhaut.

 

Klinische Symptomatik

Zunächst entwickeln sich Plaques (Flecke), dann runde bis ovale Papeln (Knötchen) oder im weiteren Verlauf Pusteln (Eiter gefüllte Bläschen), die in kurzer Zeit tiefgreifend Geschwüre bilden (Ulzera) und sehr schmerzhaft sind. Die unterminierten Wundränder der Geschwüre weisen eine typisch livide (blass-bläuliche) bis dunkelrote Farbe auf (Abb. 2) mit zentraler Nekrose (Gewebstod). Zu 80 Prozent sind Ulzera vor allem an den Unterschenkeln vorhanden. Diffuse Schmerzen bestehen in den betroffenen Regionen. Begleiterscheinungen sind meistens ein reduzierter Allgemeinzustand mit Abgeschlagenheit, Fieber sowie Gelenk- und Muskelschmerzen. Abgeheilte Ulzera weisen häufig siebartige Narben auf.

 

Diagnostik

Bei Verdacht auf eine Pyoderma gangraenosum empfiehlt es sich, zeitnah einen Dermatologen aufzusuchen. Dieser klärt zunächst ab, ob ein Zusammenhang mit bekannten systemischen Vorerkrankungen bestehen. Mittels Sichtbefund (Inspektion) fallen typische entzündliche Hautveränderungen, besonders Geschwüre (Ulzera) an der Vorderseite (Ventralseite) der unteren Extremitäten oder gegebenenfalls den anderen, bereits genannten Regionen auf. Serologische Untersuchungen (Blutuntersuchungen) zum Nachweis von Autoantikörpern in speziellen Laboren und die Probeentnahme von Gewebe zur histologischen Untersuchung (Biopsie) schließen sich an. Der spezielle Pathergie-Test wird zum Nachweis des Pathergie-Phänomens (Hautläsionen durch banale Traumen) genutzt. Hierbei erfolgt ventral am Unterarm intrakutan (in die Haut) eine Injektion mit Kochsalz. Eine pathologische Empfindlichkeit mit daraus resultierender Gewebsreaktion liegt vor, wenn sich nach 24 bis 48 Stunden aufgrund des ausgelösten Reizes ein eitriges Bläschen in der Haut (Papulopustel) entwickelt.

 

Krankheitsbilder mit ähnlichen Symptomen

Folgende Krankheitsbilder sollten differentialdiagnostisch mit ähnlichen Symptomen ausgeschlossen werden wie zum Beispiel Tuberkulose der Haut (TBC), Wundrose (Erysipel), Syphilis (Lues 3. Grades, Geschlechtserkrankung), Geschwür im Unterschenkel bei seltener arterieller Verschlusskrankheit (Ulcus cruris arteriosum), schwere bakterielle Weichteilinfektion (nekrotisierende Fasziitis), Unterschenkelgeschwür aufgrund einer chronisch-venösen Insuffizienz (Ulcus cruris venosum), Tropenkrankheit (Leishmaniose; ulzeröse Hautkrankheit übertragen durch Sandmücken) oder entzündliche Erkrankung der Gefäßwände mit Zelltod (nekrotisierende Vaskulitis).

 

Die Therapie der PG

Zur lokalen Wundbehandlung werden atraumatische nicht haftende Wundverbandstoffe verwendet, die die Granulation fördern, beispielsweise mit Silikonbeschichtung oder Hydrogele. Hydrogele, wie zum Beispiel Alginate (Wundverband aus Seealgen) fördern die Wundheilung, da das Wundsekret abfließen kann und eine Sauerstoffzufuhr gewährleistet ist. Somit wird die Bildung einer feuchten Kammer, die eine Infektion begünstigt, minimiert. Zusätzlich kann kurzzeitig lokal Kortison-haltige Salbe oder 0,1%-ige Protopic-Salbe verwendet werden. Eine systemische Behandlung erfolgt mit Glukokortikosteroiden (GK, Steroidhormon). Simultan (gleichzeitig) ist eine länger andauernde Immunsuppression zum Beispiel mit Ciclosporin zur Unterdrückung der Immunabwehr ratsam. Dadurch wird die Bildung von Antikörpern und Botenstoffe eingeschränkt, die das eigene gesunde Gewebe bei der Erkrankung schädigen könnten. Rezidivgefahr (Rückfall) besteht bei alleiniger Einnahme von Kortikosteroiden. Zur Blockierung von Rezeptoren (Zellen oder Zellbestandteile, die auf bestimmte Reize reagieren) sind Biologika (pharmakologische aktiv hergestellte Eiweißmoleküle) wie zum Beispiel Infliximab indiziert (angezeigt).

Ergänzend kann die Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) bei der PG eingesetzt werden, vor allem, wenn die immunsuppressive Therapie nicht den gewünschten Erfolgt bringt. Weiterhin kommt die HBO bei Kontraindikationen oder komplizierten Nebenwirkungen in Betracht. Mithilfe der HBO wurden außerdem eine schnellere Schmerzfreiheit und kürzere Abheilungszeit der Hautläsionen erreicht. Ferner wird die Narbenbildung minimiert. Eine weitere Option zur Beschleunigung der Wundheilung bei PG ist die Vakuumtherapie (V.A.C.-Therapie, Vacuum Assited Closure-Therapie). Dabei handelt es sich um eine nicht invasive (eindringen) Unterdruck-Wundtherapie, zur Säuberung vor allem chronischer Wunden durch Absaugen von überschüssigem Wundsekret.

Zur mentalen Bewältigung der PG ist oftmals eine psychologische Mitbetreuung hilfreich. Weiterhin eignen sich zum Stressabbau autogenes Training, Yoga oder progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Podologische Behandlungen sind bis zum Abklingen der Hautläsionen kontra indiziert. Die regelmäßige Fußpflege allerdings kann zur Verbesserung die Mikrozirkulation in der Fußhaut anregen und die Versorgung mit Lipiden und Feuchtigkeit stärken (z.B. GEHWOL med Lipidro Creme, GEHWOL FUSSKRAFT Hydro-Lipid Lotion).

 

Prognose

Betroffene sollten sich, je nach vorliegender Grundkrankheit, auf einen längeren chronischen Verlauf einstellen. Frühzeitige Diagnosestellung, zeitnahe lokale und systemische Therapie, gewissenhafte Wundbehandlungen und Schmerztherapie bewirken eine Reduzierung der Hautläsionen. Regelmäßige Bewegungen fördern den Lymphabfluss und tragen zum Abbau von Schmerzen und Schwellungen bei.

 

Fallbericht

Abb-1

Abb.1a – Pyoderma gangraenosum bei einer 72-jähriger Frau mit Diabetes mellitus Typ II ohne Polyneuropathie (ohne Schädigung der peripheren Nerven).

Abb2
Abb. 1b – An beiden Füßen und Unterschenkeln bestehen bei der Frau massive schmerzhafte Ulzera. Am gesamten Körper waren Hautläsionen ohne traumatische Ursache vorhanden.
Abb3
Abb. 2 – Detailansicht am Unterschenkel der 72-jährigen Frau zeigt ein tiefgreifendes Ulkus (Geschwür) mit sehr schmerzhaften roten unterminierten Wundrändern.

Unsere Autorin

MR-2

Dr. med. Renate Wolansky
Fachärztin für Orthopädie, Sportmedizin, Naumburg