In jeder Podologie- oder Fußpflegepraxis treffen unterschiedliche Menschen aufeinander: verschiedene Ausbildungen, Temperamente, Arbeitsstile. Da ist es ganz normal, dass es auch mal knirscht – etwa bei der Arbeitsaufteilung, der Einhaltung von Hygienestandards, beim Umgang mit Patienten oder bei der Urlaubsplanung. Entscheidend ist nicht, ob Konflikte auftreten, sondern wie wir mit ihnen umgehen.
Welche Konfliktarten treten in der Praxis auf?
Innere Konflikte entstehen innerhalb einer Person: Zum Beispiel, wenn eine Mitarbeiterin gerne mehr Zeit für eine sorgfältige Behandlung investieren würde, gleichzeitig aber der straffe Terminplan drückt. Oder wenn der Praxisinhaber weiß, dass ein klärendes Gespräch mit einer Kollegin oder einem Kollegen nötig wäre, sich davor aber scheut.
Strukturelle bzw. organisatorische Konflikte haben mit der Organisation der Praxis zu tun: Etwa wenn die Aufgabenverteilung unklar ist, Absprachen fehlen oder das Terminmanagement schlecht geregelt ist. Ein klassisches Beispiel: Wer ist wofür zuständig – Anmeldung, Telefon, Instrumentenaufbereitung, Dokumentation? Wenn hier keine Klarheit herrscht, sind Missverständnisse vorprogrammiert.
Soziale oder zwischenmenschliche Konflikte zeigen sich im Miteinander: Unvereinbarkeiten im Denken, Fühlen, Wollen und Handeln führen dazu, dass sich Teammitglieder blockiert oder verletzt fühlen. Das kann sich im Praxisalltag z. B. so äußern: Eine Kollegin fühlt sich von einer anderen ständig kritisiert, oder zwei Behandler können sich nicht auf einen gemeinsamen Umgang mit „schwierigen“ Patienten einigen.
Ein Beurteilungskonflikt liegt vor, wenn das Ziel zwar gleich ist, aber der Weg dorthin umstritten ist: Alle wollen zufriedene Patienten und eine hochwertige Behandlung – aber es gibt unterschiedliche Vorstellungen, wie etwa die Anamnese ablaufen soll, wie viel Zeit für bestimmte Behandlungen eingeplant wird oder wie streng Hygiene-Checklisten umgesetzt werden müssen. Hier lohnt es sich, Begründungen und Bewertungen offen auszutauschen.
Der Beziehungskonflikt basiert häufig auf persönlicher Abneigung oder unterschiedlichen Wertvorstellungen: Zum Beispiel prallen Genauigkeit und Tempo aufeinander („Die macht alles viel zu langsam!“ vs. „Der arbeitet mir zu oberflächlich.“). Oder Zurückhaltung trifft auf Durchsetzungsstärke. Werden solche Unterschiede nicht besprechbar gemacht, werden sie leicht zu Dauer-Störfaktoren im Team.
Selbstreflexion: Was hat der Konflikt mit mir zu tun?
Zur Bewältigung von Konflikten gehört immer auch der Blick auf sich selbst. Dabei helfen Fragen wie:
- Übertrage ich eigene, unerlaubt empfundene Wünsche oder Verhaltensweisen auf andere („Das würde ich nie tun, aber sie…“)?
- Reagiere ich in aktuellen Situationen über, weil mich ein früherer Konflikt – vielleicht aus einem anderen Team – noch emotional belastet?
- Bin ich wirklich beim konkreten Thema oder kämpfe ich eigentlich einen alten Kampf?
Konflikte bergen neben Risiken auch Chancen: Sie machen auf Veränderungsbedarf aufmerksam, können Entwicklungsprozesse anstoßen, Kreativität fördern – und am Ende zu mehr Klarheit, besserer Zusammenarbeit und einem stärkeren Selbstbewusstsein im Team beitragen.
Wie eine konstruktive Konfliktkultur in der Praxis entstehen kann
Eine gute Konfliktkultur beginnt damit, dass positive Konfliktverläufe wahrgenommen und reflektiert werden: Wo ist es uns im Team schon einmal gelungen, ein schwieriges Thema offen anzusprechen und gemeinsam zu lösen? Solche Erfolgserlebnisse machen Mut, Konflikte künftig früher anzusprechen.
In vielen Teams wird dagegen eher oberflächlich kommuniziert: Klagen über Kollegen, den Praxisablauf oder die Arbeitsbedingungen werden beim Feierabend-Talk oder im Pausenraum geäußert – aber die betroffene Person erfährt davon nichts. Das entlastet zwar kurzfristig, löst aber kein Problem.
Typische Warnsignale im Praxisalltag sind zum Beispiel:
- Anweisungen der Praxisleitung oder Absprachen im Team werden nur noch widerwillig oder „Dienst nach Vorschrift“ umgesetzt.
- Der Kontakt kühlt ab: Man vermeidet Augenkontakt, spricht nur das Nötigste, Humor und Leichtigkeit verschwinden.
- Kolleginnen und Kollegen werden herabgesetzt – durch abfällige Bemerkungen, abwertende Kommentare oder Unterstellungen, die sich häufen.
Spätestens dann ist es Zeit, aktiv gegenzusteuern – bevor aus Spannungen dauerhafte Gräben werden.
Eine einfache Methode für die Praxis: "Vom Vorwurf zum Wunsch"
Eine sehr praktische Methode für Teams in der Podologie und Fußpflege ist der Perspektivwechsel „Vom Vorwurf zum Wunsch“. Sie lässt sich im Teammeeting, in einer Supervision oder auch in einer moderierten Teamsitzung anwenden – zum Beispiel durch die Praxisleitung oder eine externe Moderatorin.
So funktioniert es:
- Konfliktthemen sammeln
Jede Person schreibt ein Thema und einen konkreten Vorwurf auf eine Moderationskarte – pro Karte nur einen Vorwurf.
Beispiel: „Du lässt mir immer die schwierigen Patienten übrig.“ oder „Du hältst nie die vereinbarten Behandlungszeiten ein.“
- Vorwurf in Wunsch übersetzen
Auf die Rückseite wird der Vorwurf in einen klaren Wunsch umformuliert.
Beispiel: „Ich wünsche mir, dass wir schwierige Patienten gerechter aufteilen.“ oder „Ich wünsche mir, dass du unsere Zeitvorgaben besser einhältst oder es ansprichst, wenn das nicht möglich ist.“
- Wünsche sichtbar machen
Alle Wünsche werden an eine Moderationswand oder gut sichtbare Fläche gepinnt. So wird deutlich: Hinter jedem Vorwurf steckt ein Bedürfnis – und das darf gesagt werden.
- Verstehen statt verteidigen
Die Moderatorin oder Praxisleitung sorgt dafür, dass alle Wünsche verstanden werden. Sie vermittelt zwischen Person A und B – von A zu B und von B zu A – und achtet darauf, dass wirklich zugehört wird, statt sofort in die Verteidigung zu gehen.
- Machbarkeit klären
Jede Seite ordnet die Wünsche der anderen in drei Kategorien ein:
- Ich kann den Wunsch nachvollziehen und erfüllen.
- Ich kann den Wunsch unter bestimmten Bedingungen erfüllen.
- Ich kann den Wunsch im Moment nicht erfüllen.
Auf dieser Basis formulieren die Beteiligten eine konkrete Vereinbarung, die beide Seiten unterschreiben oder zumindest klar bejahen. Diese Vereinbarung gilt für einen Zeitraum von 2 bis 6 Wochen – danach wird in einer kurzen Nachbesprechung geschaut: Was hat gut funktioniert, was muss angepasst werden?
Fazit: Konflikte klären – zum Nutzen der Praxis und der Patienten
Um Konflikte im Behandler-Team zu klären, braucht es zunächst einen Überblick:
Welche Themen stehen im Raum? Worum geht es wirklich – und worum vielleicht nur vordergründig? Dann gilt es, die Ursachen zu analysieren und konkrete Umsetzungsschritte zu vereinbaren, die in den Praxisalltag passen. Eine Methode wie „Vom Vorwurf zum Wunsch“ unterstützt Teams dabei, Vorwürfe in klare Anliegen zu verwandeln und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Wichtig ist zum Schluss immer eine Prozessreflexion: Wer übernimmt wofür Verantwortung? Was hat sich nach einigen Wochen tatsächlich im Arbeitsalltag geändert? So entstehen Schritt für Schritt eine konstruktive Konfliktkultur – und eine Praxisatmosphäre, von der alle profitieren: Team, Inhaber und vor allem die Patienten.